Marke und Interaktion

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Interview

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Interviewpartner

Hendrik Bruning

Agentur

MetaDesign

Modell

Liquid Brand Design

Stichworte

Telekom, flexibel, experience principles, magenta
Hendrik Bruning ist Creative Director bei MetaDesign mit leitender Verant­wortung für die Kreation am Standort Düssel­dorf. Er begleitet mit seinem Team seit 2017 die Weiter­ent­wicklung der Marke Deutsche Telekom. Nach dem Studium an der Hoch­schule Düssel­dorf war er bei Claus Koch und Interbrand tätig. Er hat über 15 Jahre Erfah­rung im Bereich Bran­ding mit einer Vielzahl von Projekten für regio­nale und inter­natio­nale Marken in unter­schied­lichen Branchen.

Fragen

Wieso ist Liquid Brand Design für die Telekom entstanden?

Liquid Branding ist für die Telekom entstanden, weil wir die Notwendigkeit erkannt haben, Flexibilität in der Markenpräsentation zu integrieren. Dieser Anspruch nach Flexibilität resultiert aus der Tatsache, dass die Telekom in verschiedenen Branchen tätig ist und somit eine Vielzahl von Kontaktpunkten hat. In Bereichen wie Fashion könnte man jedes Jahr etwas Neues machen, aber für größere Marken wie die Telekom, die in verschiedenen Sektoren präsent sind, müssen wir bereits etabliert sein, um eine gewisse Freiheit in der Gestaltung zulassen zu können.

Die Inspiration für das Liquid Design kam aus der Herausforderung, die Markenkonsistenz zu erhalten und gleichzeitig Veränderungen zuzulassen. Das Liquid Branding bietet eine Systematisierung für diese Vielzahl von Touchpoints, die in der Telekom existieren. Der Ansatz berücksichtigt die unterschiedlichen Anforderungen und Erwartungen, die mit den vielfältigen Aktivitäten der Marke einhergehen, sei es im IoT-Bereich für Geschäftskunden oder bei Messeauftritten.

Ein weiterer Anstoß für das Liquid Design war die Erkenntnis, dass die Telekom über 70 detaillierte Richtlinien in ihrem System hat, die oft von verschiedenen Bereichen verantwortet werden. Das ständige Anpassen dieses umfangreichen Regelwerks an neue Touchpoints und sich ändernde digitale Umgebungen erforderte bisher einen erheblichen Zeitaufwand. Das Liquid Design schafft hier eine gewisse Befreiung, indem es auf Prinzipien basiert, die es ermöglichen, flexibel zu bleiben, ohne ständig das gesamte Regelwerk nachziehen zu müssen. Dies trägt dazu bei, den Herausforderungen der Vielfalt in den Markenaktivitäten der Telekom effizienter zu begegnen.

Wie wird das System dokumentiert und verwaltet?

Das System, das Liquid Brand Design für die Telekom dokumentiert und verwaltet, basiert auf einer Plattform im Hintergrund, vergleichbar mit Frontify. Auf dieser Plattform gibt es detaillierte Guides, die vor allem für die Umsetzer relevant sind. Die Umsetzer können interne Abteilungen oder spezialisierte Agenturen sein, die für bestimmte Bereiche arbeiten. Diese haben dann spezifische Anlaufpunkte, um sich über das jeweilige Thema oder den betroffenen Touchpoint zu informieren.

Viele Aspekte sind mittlerweile zentralisiert. Zum Beispiel gibt es eine inhouse geführte Lösung für die App, bei der der Designbereich in Ungarn eine Schlüsselrolle spielt. Dieser Bereich beschäftigt sich intensiv mit den verschiedenen Touchpoints und fungiert quasi als Master für die App, den sie kontinuierlich weiterentwickeln und für verschiedene Länder anpassen. Ähnliches gilt für den Onlineshop, der ebenfalls zentralisiert wurde, um kulturelle Änderungen und eine einheitliche Formgebung sicherzustellen.

Die Telekom arbeitet daran, verschiedene Elemente wie den Onlineshop oder Magenta TV, ein eigenes Content-Angebot, zu zentralisieren. Dies beinhaltet die Herausforderung, unterschiedliche Shopsysteme zu migrieren und länderspezifische Inhalte zu berücksichtigen. Es ist eine komplexe Aufgabe, insbesondere aufgrund der verschiedenen Landesgesellschaften der Telekom, die autonom agieren und unterschiedliche Historien haben.

Im Vergleich zu anderen Marken, die möglicherweise bereits eine zentralisierte Struktur haben, war es für die Telekom eine organisatorische Mammutaufgabe, ihre verschiedenen Elemente zusammenzuführen. Diese Herausforderung wurde durch die Autonomie der Landesgesellschaften und ihre vielfältigen Hintergründe noch komplexer. Es gibt keinen „Apple“-Ansatz, bei dem alles zentral geschaffen und vorgegeben ist.

Welche besonderheiten gab es bei der Entwicklung des Designs in Bezug auf die Telekom als großes Unternehmen?

In den 2000er Jahren hatte die Telekom einen gut aufgestellten internen Designbereich namens Product and Innovation, später umbenannt in Telekom Design. Inspiriert von Apple, umfasste dieser Bereich verschiedene Disziplinen und kümmerte sich um das gesamte digitale Designsystem sowie um inhouse entwickelte Produkte, einschließlich physischer Lösungen wie Routerfamilien.

Eine Herausforderung ergab sich durch die internen Strukturen, da es eigene Abteilungen für Markenkommunikation, Produktinnovation und den deutschen Markt gab. Reibungspunkte entstanden zum Beispiel bezüglich der Farbgebung Magenta. Der Produktentwicklungsbereich orientierte sich am Trend zu einem eher weißen und hochwertigen Design, während der Markenbereich darauf bestand, das geschützte Magenta stärker einzusetzen, um die Marke klar zu positionieren.

Das führte zu Problemen in der Zusammenarbeit. Im Laufe der Zeit konnte jedoch eine bessere Verbindung zwischen dem Branding und dem internen Bereich bei der Telekom hergestellt werden, insbesondere durch den Aufbau einer persönlichen Beziehung. Insgesamt wurden die Grundlagen des digitalen Auftritts der Telekom in diesem internen Designbereich gelegt.

Das Liquid Branding-System wurde speziell für die Telekom entwickelt und in Zusammenarbeit mit der Abteilung Telekom Design implementiert. Es handelt sich um einen Ansatz, der auf die spezifischen Anforderungen und Herausforderungen der Telekom zugeschnitten ist. Der Ansatz betont die Notwendigkeit, Flexibilität und Konsistenz in der Markenführung zu vereinen, und stellt eine innovative Lösung für die Herausforderungen dar, die mit den sich ändernden Anforderungen an Markenpräsentationen einhergehen.

Wie habt ihr das Liquid Brand Design entwickelt?

Die Elemente für das Designsystem wurden durch einen umfassenden Prozess gefunden, der auf einer detaillierten Analyse und Recherche basierte. Zu Beginn wurde der gesamte Auftritt der Telekom zerlegt und in seine Bestandteile aufgeschlüsselt. Dabei wurden jedes Element, jede Farbe und das Layoutsystem einzeln analysiert. Es erfolgte eine intensive Betrachtung, wie auch andere Marken mit ähnlichen Elementen umgehen, insbesondere im Hinblick auf responsive Logos und Layoutsysteme.

Workshops spielten eine zentrale Rolle im Prozess. Die Agentur führte Analysen, Recherchen und Explorationen durch, um verschiedene Szenarien für die Weiterentwicklung der Marke zu evaluieren. Dies geschah noch vor der COVID-19-Pandemie und wurde analog durchgeführt, mit physischen Workshop-Sessions und Präsentationen, bei denen Screens mit verschiedenen Szenarien aufgestellt und ausgewertet wurden.

Der Prozess erstreckte sich über etwa ein halbes Jahr und führte zu theoretischen Überlegungen darüber, wie die verschiedenen Elemente in einem System zusammenpassen könnten. Wir arbeiteten in einem kollaborativen und dynamischen Prozess zusammen, wobei mehrere Ansprechpartner für verschiedene Themen involviert waren. Zwischen den Parteien gab es eine intensive Zusammenarbeit und Diskussion über die verschiedenen Ansätze.

Wie hat die Einführung des Liquid Brand Design eure Postion im Unternehmen verändert?

Das neue Designsystem hat unsere Position im Unternehmen positiv beeinflusst und hat dazu geführt, dass wir als Agentur anders wahrgenommen werden. Die Einführung von flexibleren Designmöglichkeiten und neuen Ansätzen zur Kreation hat einen großen Bedarf bei den Nutzern im Unternehmen geschaffen. Die Fähigkeit, eine überzeugende Geschichte zu erzählen und innovative Lösungen vorzustellen, hat zu einer veränderten Wahrnehmung unserer Rolle geführt.

Die traditionelle Rolle als „Designpolizei“ wurde durch das neue Designsystem aufgebrochen. Statt nur Vorgaben zu überwachen, wurden wir als Enabler wahrgenommen, der dazu beiträgt, neue Wege zu ermöglichen. Dies führte zu einer positiven Veränderung in der Zusammenarbeit mit dem Unternehmen. Anstelle von reinen Feedback- und Überwachungsprozessen gab es nun einen regen Austausch und eine Zusammenarbeit, bei der wir als Partner betrachtet wurden.

Der Einsatz des neuen Designs führte zu einem gewissen Hype und Interesse im Unternehmen. Die Präsentation des Systems erzeugte Neugier und führte zu einer verstärkten Zusammenarbeit mit verschiedenen Abteilungen im Unternehmen. Der Modus der Zusammenarbeit änderte sich, und wir wurden vermehrt in Entscheidungsprozesse eingebunden.

Welche Rolle spielt Interactiondesign bei Liquid Brand Design?

Vor der Einführung des Liquid Designs gab es das Projekt mit dem Arbeitstitel „Experience Principles,“ das im Grunde der Ausgangspunkt für Liquid Brand Design ist. Dieses Projekt fokussierte sich auf die digitale Landschaft der Telekom, die sowohl innerhalb Deutschlands als auch international stark unterschiedlich war.

Die Experience Principles wurden entwickelt, um die User-Perspektive besser mit der Markenperspektive in Einklang zu bringen. Hierbei handelte es sich um grundlegende Grundsätze, die festlegten, was die Nutzer von einer Interaktion mit der Telekom erwarten können. Dieses inhaltliche Framework sollte klar und einfach sein, um als Grundgerüst für die unterschiedlichen digitalen Erfahrungen der Nutzer zu dienen.

Das Interaction Design wurde dabei als Mittel eingesetzt, um diese Grundsätze in der Praxis umzusetzen. Es entstand eine digitale Bibliothek mit modularen Systemen, die bestimmte Branding-Elemente enthielten und verschiedene Seitenaufbauten ermöglichten. Dieses Vorgehen erleichterte nicht nur das Verständnis für das Design, sondern ermöglichte auch eine effiziente Anwendung der Experience Principles.

Die Telekom nahm sich dabei die Freiheit, dieses Framework pragmatisch und klar zu gestalten, um es schnell und effektiv einzuführen. Dieser Ansatz unterscheidet sich von anderen Marken, die ähnliche Themen ausführlicher behandelt haben, und wird als positiv bewertet, da er ein einfaches Verständnis ermöglicht und die Anwendung in Form von modularen UI-Kits unterstützt.

In welcher Beziehung stehen die Experience Pricipals zu Liquid Brand Design?

Die Experience Principles der Telekom waren der Ausgangspunkt und gleichzeitig ein entscheidender Auslöser für die Entwicklung des Liquid Brand Designs. Vor der Einführung von Liquid gab es eine umfassende Untersuchung bei der Telekom, das sich auf die digitalen Erfahrungen der Nutzer konzentrierte. Dieses Projekt analysierte Nutzertrends, Bedürfnisse und technologische Entwicklungen und zoomte dabei von einer übergeordneten Perspektive auf die Telekom als Marke.

Die Ergebnisse dieses Projekts führten zu verschiedenen Handlungsfeldern, von denen eines das visuelle Design war. Hier kam das Liquid-Thema als Lösung zum Einsatz. Die Experience Principles wurden entwickelt, um die sehr unterschiedliche digitale Landschaft der Telekom zu harmonisieren, insbesondere weil es internationale und nationale Unterschiede gab, die zu einem großen Wildwuchs führten. Somit bildeten die Experience Principles die Grundlage für die strategische Entwicklung des Liquid Brand Designs und anderer Aufgabenfelder, wie zum Beispiel das Soundkonzept der Telekom.

Wie wurde das UI Kit für die Telekom entwickelt?

Die Entwicklung des UI Kits für die Telekom war ein funktionaler Prozess, bei dem die einzelnen Elemente oder Module des UI Kits nicht zwangsläufig mit den übergeordneten Prinzipien in Verbindung standen. Das UI Kit wurde historisch von internen Teams entwickelt und blieb weiterhin in deren Hand. Die Kollegen aus dem Customer Experience-Bereich waren maßgeblich an der Weiterentwicklung dieser Systeme beteiligt.

Im Gegensatz zum Liquid Brand Design, bei dem die Markenführung die Kontrolle über das visuelle Design hatte, gab es bei der Entwicklung des UI Kits mehrere beteiligte Einheiten innerhalb der Telekom. Teams aus Telekom Design und dem Customer Experience-Bereich waren eingebunden, und es wurden verschiedene Verantwortungsbereiche integriert. Alle, die mit dem Kit arbeiten würden, wurden in den Entwicklungsprozess einbezogen.

In späteren Phasen, nach den Anfängen von Liquid, wurden externe Partner wie MetaDesign in mehreren Sprints in den Prozess eingebunden. Dies geschah beispielsweise bei der Entwicklung von Landing Pages für neue Tarife oder der Neugestaltung von der Website der Telekom.

In welchen Kontexten ist ein System wie das Liquid Brand Design geeignet?

Das Liquid Brand Design ist in Kontexten geeignet, in denen ein hoher Bedarf an Flexibilität und Anpassungsfähigkeit in der Markenpräsentation besteht. Bei der Telekom wurde dieser Bedarf durch die Vielfalt des Angebots und die kulturellen Unterschiede in den verschiedenen Ländern, in denen die Telekom aktiv ist, verstärkt.

Die Flexibilität des Systems wird durch die starke Markenfarbe Magenta ermöglicht, die allein schon eine klare Zuordnung zur Telekom ermöglicht. Diese Farbe wird in Deutschland besonders stark mit der Marke assoziiert, was die Wiedererkennung fördert. In anderen Ländern mag die Assoziation mit der Farbe nicht so ausgeprägt sein, aber wo die Telekom etabliert ist, funktioniert dies in ähnlicher Weise.

Die Grundidee des Liquid Brand Designs besteht darin, die Marke von einer festen Form zu befreien, sodass sie flexibel und vielseitig auftreten kann. Andere Marken können diese Idee ebenfalls nutzen, müssen jedoch möglicherweise alternative Ansätze finden, um die Wiedererkennung und Markenzuordnung auf einer anderen Ebene zu gewährleisten.

Die visuelle Befreiung bei der Telekom ist besonders massiv, und dies könnte bei anderen Marken unterschiedlich gut funktionieren, je nach der Vielfalt und Komplexität ihrer visuellen Identität. Wir haben uns zum Beispiel Audi angeschaut, da sie ebenfalls eine gewisse Flexibilität in ihrer visuellen Identität eingeführt haben, jedoch nicht in dem Ausmaß wie bei der Telekom.

Insgesamt hängt der Erfolg des Liquid Brand Designs stark von den Personen ab, die damit arbeiten, und wie gut sie die Flexibilität des Systems nutzen können.

Wie siehst du die Zukunft der Liquid Brand Designs bei der Telekom?

In Bezug auf die Zukunft des Liquid Brand Designs bei der Telekom betrachten wir dies als ein kontinuierliches Thema, das ständige Aufmerksamkeit und Anpassungen erfordert. Wir sind stolz darauf, das System erfolgreich implementiert zu haben, und glauben fest an seine Zukunftsfähigkeit aufgrund seiner Anpassungsfähigkeit und Flexibilität.

Hinsichtlich neuer Medien und Technologien wie KI sind wir aktiv dabei, Experimente durchzuführen und Inspirationen zu liefern. Die Integration von KI wird als ein besonders spannendes Innovationsfeld betrachtet, und wir denken darüber nach, wie wir die Vielseitigkeit von Magenta und die Flexibilität des Systems in diesem Kontext demonstrieren können. Unser Fokus liegt darauf, uns an neue Interfaces und Herangehensweisen anzupassen, insbesondere im Hinblick auf die sich entwickelnde KI-Technologie.

Wir betonen die Notwendigkeit intensiver Auseinandersetzung mit der Zukunft der Markenvermittlung und Tools. Wir können uns vorstellen, die Landschaft mit KI weiterzuentwickeln und in die Brand-Management-Landschaft zum Beispiel in Form von Chatbots zu integrieren. Die kontinuierliche Pflege und Weiterentwicklung des Liquid Brand Designs sind für uns von höchster Bedeutung, um es lebendig und relevant zu halten.